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Am deutschen Biertisch

Special Guest bei Maria Sporrer: Reinhard Kühnl

Warum ist Reinhard Kühnl bei deutschen Linken eigentlich so beliebt? Vielleicht, weil er dort mit seinem verschrobenen Antifaschismusbegriff offene Türen einrennt, wie zum Beispiel 1996/97, als er sich in die Front der deutschen Feinde Daniel Jonah Goldhagens einreihte, indem er kundtat: "Wir [!] Deutschen dürfen uns den antifaschistischen Widerstandskampf nicht nehmen lassen". Heutzutage entdeckt Kühnl "das Problem Israel", wie der Titel seines Vortrages lautete, der den Common Sense deutscher Ideologie bloß ein weiteres Mal reproduziert: das Problem ist Israel und nicht der mordende palästinensische Mob.

Mit dem Seminar von Maria Sporrer hat sich Kühnl den richtigen Ort für seine Ausführungen ausgesucht: dort, wo "Probleme" ganz offen diskutiert werden können und es keine Rolle spielt, wenn es sich immer wieder um das alte antisemitische Ressentiment handelt, welches im pluralistischen Gewand daher kommt, weiß sich Kühnl unter seinesgleichen. Zwischen Kühnl und dem dumpfen deutschen Studenten besteht schließlich kein Unterschied mehr: letzterer darf sich dank ersterem nun ein bißchen "links" fühlen und der mittlerweile pensionierte Professor ist den reaktionären Studenten endlich einmal so richtig nahe.

Der Titel seines Vortrages sei "eigentlich verharmlosend", da es sich um "ein ganzes Bündel von Problemen" handele, begann er seine Zuhörer zu belehren, welche diese Lektion bestimmt nicht nötig hatten. Nachdem er also deutlich gemacht hatte, daß von ihm tatsächlich nichts anderes zu erwarten wäre als Schmähungen gegen den jüdischen Staat, klopfte er sich an seine stolz geschwellte Brust und verkündete, den "Problemkomplex" "wissenschaftlich" - "also anders als am Biertisch" - zu behandeln. Wissenschaft, fuhr er mit zitterndem Vibrato fort, sei "der Wahrheit verpflichtet" und nicht "der Ausgewogenheit". Damit wollte Kühnl sagen: seht her, ich kann mein Ressentiment als wissenschaftlich verkaufen.

Anderes als am deutschen Biertisch bekam man von Kühnl indes nicht zu hören: Die Eroberung "palästinensischer Gebiete" im Verteidigungskrieg von 1967 und der Umstand, daß Palästinenser in Israel "Staatsbürger zweiter Klasse" seien, hätte zum "Widerstand der Palästinenser" geführt. Was Kühnl hier unter "Widerstand" versteht, begann bereits viel früher:

Nachdem der von der britischen Mandatsmacht in diesen Posten eingesetzte "Mufti von Jerusalem", Haji Amin el-Husseini zwischen 1936 und 1939 - also während in Deutschland die Synagogen brannten - pogromartige Ausschreitungen im damaligen Palästina organisiert hatte, floh er nach Deutschland, wo er für die muslimischen SS-Divisionen in Bosnien und Herzegowina zuständig war. Während Jugoslawien nach 1945 el-Husseini deshalb auf die Kriegsverbrecherliste setzte, bemühte sich die Arabische Liga mit Erfolg darum, die Auslieferung des Mufti zu verhindern, und so war es möglich, daß palästinensische Nationalisten ihn in den 50er Jahren trotz und wegen seiner Verbrechen im Gaza-Streifen jubelnd empfangen konnten. Später fungierte el-Husseini, der sich mittlerweile im libanesischen Exil befand, als "politischer Mentor" der später von Arafat angeführten Fatah. Amin el-Husseini, Mufti von Jerusalem, 1941 mit Hitler

Der antijüdische Krieg gegen Israel läßt sich von heute über den 1948 von arabischer Seite erschallenden Ruf "Treibt die Juden ins Meer" und el-Husseini zurückverfolgen: Arafats Autonomiebehörde unterstützt den Terror von Hamas und Djihad finanziell und bezahlt Selbstmordattentätern ihre Staatsbegräbnisse. In Moscheen und Büchern, im Fernsehen und im Radio, in Zeitungen und Flugblättern wird zum Mord an Juden aufgerufen: So flimmern zum Beispiel Freitagsgebete über den Bildschirm des Fernsehens der palästinensischen Autonomiebehörde, in denen es unter anderem heißt: "Sie ("die Juden") sind die Terroristen. Sie sind diejenigen, die geschlachtet und getötet werden müssen, wie Allah der Allmächtige sagt: Bekämpft sie: Allah wird sie mit euren Händen foltern, er wird sie erniedrigen und euch helfen, über sie zu kommen, und er wird die Herzen der Gläubigen erleichtern...." [www.memri.org] Aber Arafats Mörderbanden belassen es nicht dabei, zum Judenmord aufzurufen, sondern übernehmen ihren eigenen Teil am Selbstmord-Terror gegen Israel. So waren es die Al Aqsa Märtyrer Brigaden, ein zu Arafats Fatah gehörender militärischer Arm, der im November letzten Jahres das Kibbuz Metzer angriff und zwei Kinder, deren Mutter, den Vorsitzenden der Kibbuzgemeinschaft und einen weiteren Einwohner ermordeten. Die israelische Tageszeitung "Haaretz" schrieb damals: "Besonders tragisch ist der Angriff auf den Kibbuz zu werten, da diese von der linken 'Hashomer Hatzair'-Bewegung 1953 gegründete Kommune sich seit Jahrzehnten für den Ausgleich und die Aussöhnung Israels mit seinen arabischen Nachbarn einsetzt und den Abzug Israels aus dem Westjordanland und Gaza unterstützt. Der Kibbuz hat mehrere Kooperationen mit arabischen Dörfern in der näheren Umgebung."

Daß dieser "Widerstand" folglich antisemitisch motiviert ist, kommt dem "Antifaschisten" Kühnl nicht in den Sinn. Er versuchte vielmehr, seine "persönlichen Beziehungen" zum "Problem Israel" zu beschwören, indem er an seine Gastprofessur in Tel Aviv erinnerte: "Ein jüdischer Wissenschaftler" (das Wort "jüdisch" betonte er besonders), hätte ihm sehr geholfen, "die Probleme in Israel" zu verstehen. "Walter Grab, muß ich hinzufügen, stand auf Seiten der Friedensbewegung und war im sozialistischen Lager aktiv." Dieser Hinweis auf Walter Grabs Engagement in der Friedensbewegung wird von Kühnl als etwas Besonderes hervorgehoben und hat etwas von der Verwunderung des Antisemiten, der es nicht fassen kann, daß ein Jude so gar nicht in das Bild des imperialistischen Kriegstreibers hineinpassen will. Aus diesem Grund wird Walter Grab als Bauchrednerpuppe mißbraucht: "'Immer waren die Juden verfolgt. Jetzt haben wir unseren eigenen Staat, und wie gehen wir jetzt mit den Palästinensern um?', hätte [!] Walter Grab gesagt." Kühnl versteckt sich noch nicht einmal hinter einer wirklichen Äußerung seines Vorzeigejuden, sondern legt ihm die eigenen Worte in den MundAber nicht nur Walter Grab muß herhalten: andächtig verlas Kühnl das Gedicht "Höre Israel" von Erich Fried, in dem das jüdische Volk ebenfalls mit den Nazis verglichen wird. So etwas traut sich Kühnl natürlich nicht selbst zu sagen, weshalb er andere zitieren muß - und dafür eignen sich Juden besonders gut. Der Gestus ist: die sagen's ja selbst. Israel begehe, so Kühnl, "Völkerrechtsbruch" und sei ein "Besatzungsregime", "das hat die Friedensbewegung in Israel selbst gesagt."

Kühnl würde nun gerne "Kolonialismus" sagen. Da aber selbst er keine Dokumente aus dem Hut zaubern kann, die belegen, daß Israel zu einem Kolonialreich gehört, hat er sich, um den antizionistischen Diskurs zu bereichern, etwas neues ausgedacht: Israel ist auf - "manches sträubt sich da in mir, das so zu benennen" - "Siedlungskolonialismus" gegründet. Das sei eine Form der Kolonisierung ohne "Abstammungsland". "Die Leute, die da hin kommen, haben kein (..) Vaterland." So etwas könne man lediglich mit der Besiedlung der USA vergleichen.

Dem "kritischen" Kühnl drängt dann sich auch sofort die mittlerweile rhetorische Frage auf, wie "Israel das denn durchhalten kann, wenn das Völkerrecht doch so ist". Schuld ist, wer hätte das gedacht, die "Hegemonialmacht" USA. Wo sich kein "Abstammungsland" finden läßt, müssen die USA eben einspringen. Israel hatte, muß man wissen, schon immer eine "geostrategisch entscheidende Bedeutung" und wer die "Rohstoffe" im Nahen Osten haben wolle, wisse man ja. Darüber hinaus sei es ungemein "wichtig, wer diese wichtige Region beherrscht". "Die Bastion Israel muß" deshalb für "die USA voll verfügbar sein", weil es ja den Anspruch der arabischen Staaten gebe, über ihr Öl selbst zu entscheiden, deshalb seien sie für die USA "Schurkenstaaten". Besonders perfide ist das Argument, Israel hätte so viele UN-Resolutionen gebrochen, "aber der Irak soll dafür bombardiert werden." Die unausgesprochene Konsequenz dieser Logik wären Bomben auf Israel.

Das ist dann wohl auch der Sinn der Formel "Israel ist ein normaler Staat", die Kühnl gleich nachschiebt. Die Konstitution Israels als jüdischer Staat, die sich als Reaktion auf den antisemitischen Vernichtungswahn tatsächlich mit nichts vergleichen läßt, kann auf einmal, wenn es um die Bombardierung geht, nicht normal genug sein. Sie muß dann auch prompt weggelogen werden, und das geht am einfachsten durch ihre Umdeutung in religiöse Legitimationsideologie.

Die jüdische Religion, nach der Gott den Juden das heilige Land Israel versprochen hat, "ist die unausgesprochene Legitimation [für den Staat Israel] bis zum heutigen Tage." Das erkläre dann auch, "warum Orthodoxe so viel zu sagen haben". "Solche Regierungen, also Sharon und Nethanjahu, benutzen diesen ideologischen Mutterboden, um ihre Politik zu legitimieren." Ohne diese Legitimation sei die Politik Israels seit 1948 "Landraub", habe Walter Grab gesagt, fuhr der Antizionist Kühnl fort, um zu damit sagen: die Politik Israels sei "Landraub". Die Siedler und das Militär, das nach "Palästina" "eindringt", sei "die machtpolitische Ausformung der religiösen Legitimation", und Sharon spiele auf "der Klaviatur der Ängste", um damit Machtpolitik zu machen. Ein Recht auf Verteidigung für Israel gibt es in den Projektionen eines Reinhard Kühnl nicht, und daß es den Juden seit jeher um nichts anderes als Macht, Öl und letztlich um Geld ginge, gehört zum Standardreportoire antisemitischer Argumentation.

Zum Schluß seines Vortrages sprach sich Kühnl gegen die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge nach Israel aus, denn das könne Israel nicht leisten. Was man aber erwarten könne, sei Entschädigung, "so wie es auch der Bundesrepublik nach 50jährigem Hinhalten aufgenötigt worden ist." Nun müßten also auch Israel entsprechende Zahlungen "aufgenötigt" werden, denn schließlich sind Auschwitz und die "Vertreibung der Palästinenser" in Kühnls Kopf das Gleiche.

Reinhard Kühnls Vorschlag für Frieden ist an Dummheit gar nicht mehr zu überbieten: wenn man sich darüber bewußt würde, daß das Mittelmeer ja "recht klein" sei, dann würde man merken, daß die arabischen Staaten ja "unsere" Nachbarn seien, und mit denen müsse man dann den "US-Imperialismus" hemmen. Die beschworene Einheit deutscher und islamistischer Antisemiten versus die USA und Israel, welche für Kühnl spätestens jetzt zu ein und demselben wurden, offenbart die Projektionsleistung in ihrer ganzen Absurdität und reduziert sie auf folgende Gleichung: Israel = USA = Imperialismus = an materiellen Interessen orientiert = gegen das Völkerrecht = böse.

Auf die Frage, weshalb er den palästinensischen Terror mit keinem Wort erwähnt habe, aber die gesamte Zeit lang über die angeblichen Aggressionen Israels schwafele, antwortete Kühnl folgendes: "Vielleicht fällt Ihnen auf, daß ich das Wort 'Terror' bis jetzt noch gar nicht benutzt habe. Dann müßte man nämlich zunächst erst einmal definieren, was Terror ist, und das ist für mich immer noch eine Staatsaktion. Im Vergleich zu einer solchen ist das, was in Israel passiert, marginal (!)." - Für Kühnl ist es "marginal", wenn Juden in die Luft gesprengt werden. Diese Aussage aus dem Mund eines "Antifaschisten" kann schließlich nicht mehr verwundern: wer die Einheit der deutschen EU und der Islamisten gegen die USA und Israel als Lösung des "Problems Israel" anbietet, kalkuliert den Judenmord ein.

(tc)


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Letzte Änderung dieser Seite am 17.06.2003 um 22:13 Uhr, 1885 Seitenzugriffe seit 09.06.2003.
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