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Flugblätter und Broschüren

Suicide Bombing - Formen des Antisemitismus

Veranstaltung mit Gerhard Scheit
Mi., den 28.5.03, 19.00 Uhr
Alte Universität / Fachbereich Ev. Theologie,
Lahntor 3 (Eingang: Reitgasse) Raum 112

Den Massakern der suicide bomber, seien sie in Israel, in Argentinien oder den Vereinigten Staaten von Amerika begangen, kann man ansehen, um was es geht: möglichst viele Juden, oder wen man mit ihnen in Verbindung bringt, zu ermorden. Wenn deutsche Wissenschaftler und Journalistinnen auf Motivsuche gehen, landen sie regelmäßig bei "verzweifelten jungen Männern" und schweigen von dem Charakter der Vernichtungstat und von der Absicht, die Opfer sowohl zu töten, als auch den Mord zu inszenieren und ein Bild des Schreckens zu hinterlassen.

Das angebotene Muster, es ginge hier um "Verzweiflungstaten" Unterpriveligierter, ähnelt nicht zufällig den Entschuldigungen, die einfühlende Sozialwissenschaftlerinnen für ihre deutschen Neonazis finden. Hier wie dort empfiehlt man, die Infrastruktur der Mörder zu stärken, hier wie dort ist die Versicherung, dass man diese Taten "natürlich" nicht gutheiße, die Einleitung dafür, zu sagen, dass man schon verstehen könne, was die Täter umtreibt.

Eine andere Variante, den Nationalsozialismus zu verharmlosen und die suicide bomber zu Widerstandskämpfern zu adeln, lieferte Professor Udo Steinbach, Leiter des Orient-Instituts in Hamburg, am 6.1. dieses Jahres in einem Vortrag bei dem Epiphanias-Empfang der ev. Propstei Salzgitter:

"Müssen wir uns nicht fragen, was los ist, wenn ein anständiger und normaler junger Mann, der leben will, wie jeder andere auch, sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt und sich in die Luft sprengt, nur weil er sonst keinen Ausweg sieht, sich seine Würde zu bewahren"

"Wir müssen dann auch einmal darüber nachdenken, was wir als Terrorismus bezeichnen wollen. Wenn wir sehen wie israelische Panzer durch palästinensische Dörfer fahren und sich die verzweifelten Menschen mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf Warschau und im Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch fragen dürfen, war das dann nicht auch Terror?"

Welches Einverständnis diesen deutschen Kommentator mit den Mordbanden verbindet, zeigt er schon bei seiner Verwendung des Begriffs der "Würde". Diese Würde (und gemeint ist die Würde des "Volkes") wird hier dadurch bewahrt, Massaker zu begehen, ein Mordritual zu vollführen.

Was es zu der Diffamierung der jüdischen Kämpfer und Kämpferinnen in diesem Zitat zu sagen gibt, hat Alexander Brenner, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Berlin, bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des 60. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto vom 19.April 1943 treffend formuliert:

"Wenn in der heutigen Zeit in Deutschland der Leiter eines mit Bundesmitteln finanzierten deutschen Orientinstituts, ein Professor Udo Steinbach, ein sogenannter Orientexperte, die jüdischen Kämpfer des Warschauer Ghettos mit arabischen Selbstmordkillern und Steinewerfern vergleicht, so ist dies nichts anderes als eine bewusste Verharmlosung der Naziverbrechen, eine Verniedlichung Hitlers und eine unglaubliche Schändung des Andenkens der jüdischen Toten"

Neben der mehr oder minder offenen Sympathie mit Hamas, Fatah etc., ist es gerade die Abstraktion von Inhalt und Kontext der Taten, die Aussagen wie die von Steinbach möglich machen. Mit anderen technischen Mitteln und in privatisierter Form ist suicide bombing Ausdruck antisemitischen Vernichtungswahns. "Selbstmord-Attentäter realisieren jeder für sich, eingebunden in Gruppen, aber relativ unabhängig von den wirklich existierenden Staaten, was einmal die deutsche Volksgemeinschaft mit dem eigenen Staat vollkommen verwachsen umzusetzen wusste: Vernichtung um jeden Preis als Antwort auf die Krise." (Gerhard Scheit). Die deutschen Medien wollen nicht davon sprechen, dass die Massaker in Israel Teil eines antisemitischen Projekts sind. Dazu passt auch der gleichgültige Ton, in dem sie über die Verbrechen berichten.

Gerhard Scheit schrieb in konkret 09/02 "To know the worst. Über den kategorischen Imperativ Adornos im Zeitalter des Suicide bombing". Er ist Herausgeber der zur Zeit erscheinenden Jean Améry - Werkausgabe. Zuletzt sind von Gerhard Scheit die Bücher "Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus" und "Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Vernichtung und Volkswohlstand" im ça ira-Verlag erschienen

Veranstalter: kosmopolitbüro und Marburger Bündnis gegen IG Farben

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Letzte Änderung dieser Seite am 24.06.2003 um 2:27 Uhr, 1663 Seitenzugriffe seit 09.06.2003.
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